August-Brief 2020

Archiv unserer früheren Monatsbriefe

Das Rajai-Shahr-Gefängnis in Karaj in der iranischen Provinz Teheran, © private

 

Durch COVID-19 bedrohte Gefangene, Iran

 

Fallbeschreibung

Trotz einiger angekündigter Freilassungen angesichts der COVID-19-Pandemie befinden sich im Iran noch immer Hunderte gewaltlose politische Gefangene in Haft. Zu ihnen zählen Menschenrechtler_innen, friedliche Protestierende und andere Personen, die lediglich deshalb inhaftiert wurden, weil sie friedlich ihre Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wahrgenommen oder von ihrem Recht auf Glaubens- bzw. Religionsfreiheit Gebrauch gemacht haben.

In zahlreichen iranischen Gefängnissen wurden Häftlinge bereits positiv auf COVID-19 getestet, was für die Insass_innen dieser Hafteinrichtungen eine hohe Ansteckungsgefahr bedeutet.  Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO scheinen bestimmte Personengruppen ganz besonders in Gefahr zu sein, bei einer Erkrankung ernste Symptome zu entwickeln und zu sterben. Zu dieser Risikogruppe zählen ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Diese sind in der iranischen Gefängnispopulation vertreten. Hinzu kommt, dass manchen Gefangenen systematisch eine angemessene medizinische Versorgung verweigert wird, wodurch sie bei einer Ansteckung mit dem Corona-Virus besonders gefährdet wären. Amnesty International hat in der Vergangenheit häufig dokumentiert, wie gewaltlosen politischen Gefangenen als Strafmaßnahme die nötige medizinische Versorgung vorenthalten wurde.

Viele Inhaftierte sind bereits in den Hungerstreik getreten, um gegen den Mangel an Hygieneartikeln in Gefängnissen zu protestieren sowie gegen die Weigerung der Behörden, Häftlinge vorübergehend freizulassen, genügend Tests in Gefängnissen durchzuführen und mutmaßlich erkrankte Insass_innen zu isolieren. In zahlreichen Gefängnissen wandten Sicherheitskräfte tödliche Gewalt an, um Proteste wegen Sicherheitsbedenken bezüglich COVID-19 niederzuschlagen. Glaubwürdigen Quellen zufolge wurden dabei etwa 35 Personen getötet und Hunderte weitere verletzt.

Viele Familien haben sich besorgt über das Wohlergehen ihrer inhaftierten Verwandten geäußert und sind der Ansicht, dass die iranischen Behörden Häftlinge, die COVID-19-Symptome aufweisen, systematisch testen lassen sollten.

Im Brief an die oberste Justizautorität, bitten wir darum, alle gewaltlosen politischen Gefangenen umgehend und bedingungslos freizulassen, darunter auch Menschenrechtler_innen und Personen, die nur deshalb inhaftiert sind, weil sie friedlich an den Protesten vom November 2019 und Januar 2020 teilgenommen hatten. Wir appellieren, dringend zu erwägen, auch andere Inhaftierte freizulassen, insbesondere Untersuchungshäftlinge und besonders gefährdete Personen. Und wir bitten darum, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um die Gesundheit aller Gefangenen zu schützen, zum Beispiel durch angemessenen Zugang zu Tests.

 

Hier ist das Anschreiben an die Vertretung des Landes

Botschaft der Islamischen Republik Iran
S E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin

 

Exzellenz,

Sie erhalten von mir einen Brief an die Oberste Justizautorität Ihres Landes. Es wird darin gefordert, Menschenrechtler und gewaltlose politische Gefangene, gemäß einer Ankündigung der Behörden, umgehend und bedingungslos freizulassen.

In der Zeit der Corona-Pandemie müssen auch entsprechende Maßnahmen zum angemessenen Schutz der Gefangenen getroffen werden, ganz abgesehen davon, dass nicht nur die oben genannten, sondern auch andere Gruppen in die Freiheit zu entlassen sind.

Ich bitte auch Sie, sich dafür einzusetzen, damit der Ausbreitung von COVID-19 in den Gefängnissen Einhalt geboten werden kann.

Hochachtungsvoll

 

Anlage

 

Hier ist der Brief an das betroffene Land

Ebrahim Raisi
c/o Permanent Mission of Iran to the UN
622 Third Ave., 34th floor New York,
NY 10017
USA

 

Dear Mr Raisi,

I am writing to you on behalf of human rights defenders in the times of the COVID-19 pandemic who have only exercised their right to freedom of opinion and peaceful assembly and association. Despite the announcement of the authorities that they would release them not much has happened up to now.
Hundreds of prisoners of conscience are still in prison. It is to be feared that there are shortages of protective equipment and that infected inmates are not treated adequately. It is said there have already been protests and even hunger strikes to sound the alarm.

I should like to appeal to you to release all prisoners of conscience immediately and unconditionally including the human rights defenders who peacefully participated in the demonstrations of November 2019 and January 2020. Moreover, I should like to ask you also to set pre-trial detainees free as well as
vulnerable people who are more at risk from the virus. I should also like to beseech you to take all necessary measures to protect the health of all prisoners by adequate access to COVID-19 testing and essential medical devices. It is in everybody`s interest to avoid prisons becoming a breeding ground for the corona virus.

Yours respectfully

 

Copy to:
Botschaft der Islamischen Republik Iran
S E. Herrn Mahmoud Farazandeh
Podbielskiallee 67
14195 Berlin

 

19. August 2020